Umgang mit Angst - Was sie uns zeigen will und wie du dich wieder sicher fühlen kannst
- Sabine Bindszus
- 28. Okt.
- 4 Min. Lesezeit

Angst ist eine der kraftvollsten Emotionen, die wir Menschen kennen.
Sie entsteht, wenn unser System Gefahr wittert - ganz gleich, ob diese real ist oder nur als Erinnerung im Körper gespeichert. Unser Nervensystem geht dann in Alarmbereitschaft: Herzklopfen, Enge, Atemnot, Zittern, Schwindel... Unser Körper will uns schützen.
Doch manchmal bleibt der Körper in diesem Alarmzustand gefangen. Viele Menschen tragen seit den letzten Jahren Ängste in sich, die sich tief eingeprägt haben: Angst vor Krankheit, Einsamkeit, Existenz- oder Kontrollverlust. Auch wenn Zeit vergangen ist, trägt das Nervensystem die Erinnerung noch in sich und reagiert, als wäre die Bedrohung noch da.
Angst ist also kein Feind, sie ist ein Signal, dass etwas in uns Heilung und Sicherheit braucht.
Wichtig: Du bist nicht die Angst
Wenn Angst kommt, fühlt es sich an, als würde sie uns verschlingen. Doch in Wahrheit sind wir nicht die Angst - wir nehmen sie wahr. Das ist entscheidend!
"Da ist Angst, und ich spüre sie.
Aber: Ich bin sie nicht.
Ich bin hier. Ich bin der Beobachter."
Diese Sätze öffnen einen inneren Raum. In diesem Raum kannst du die Angst beobachten, anstatt dich mit ihr zu verstricken. Du kannst sie annehmen, wie ein Kind, das sich fürchtet.
Dein liebevoller Blick auf die Angst
Und wie ein verängstigtes Kind, das gesehen, angenommen und gehalten werden möchte, kann auch die Angst beginnen, sich zu beruhigen. Sie spürt: Ich darf da sein. Ich bin nicht allein. Dann kann sie sich von Enge in Weichheit verwandeln, von Anspannung in Vertrauen.
Statt die Angst wegzuschieben, darfst du dich fragen:
Wo spüre ich die Angst in meinem Körper?
Wie fühlt sie sich an: eng, heiß, kribbelnd, stechend, drückend?
Hat sie eine Farbe oder eine Form?
Wenn sie sprechen könnte: Was würde sie mir sagen wollen?
Manchmal will die Angst uns nur daran erinnern, dass etwas in uns mehr Halt, Vertrauen oder Ruhe braucht. Wenn du sie anschaust - wahrnimmst - und mit ihr sprichst, verliert sie ihre Macht - weil sie gesehen wird. Du kannst ihr sogar einen Namen geben, z. B. "die kleine Wächterin" oder "meine Beschützerin". So gibst du ihr Raum, da zu sein, ohne dass sie dich einnimmt.
Wenn du die Angst sehen kannst, bist du frei von ihr
Etwas verändert sich, sobald du die Angst ansehen kannst. Wenn du ihr eine Farbe, eine Form oder einen Namen gibst, trittst du automatisch einen Schritt zur Seite: Du wirst zum Beobachter. Und in genau diesem Moment geschieht etwas Wundervolles: Du bist nicht mehr die Angst, du nimmst sie wahr.
Diese Erkenntnis, dieser Moment, ist oft der erste Atemzug inmitten der Panik. Das ist Transformation.
Was hilft im akuten Moment, wenn Angst oder Panik dich überfällt?
In akuter Angst braucht der Körper Orientierung, Halt und Berührung.
Bewegung: Schütteln, Stampfen, Lockern
Wenn der Körper voller Anspannung ist, braucht er eine Möglichkeit, die Energie schnell abzugeben. Steh auf, schüttle deine Arme und Beine aus, hüpfe leicht oder stampfe mit den Füßen auf den Boden. Das aktiviert die Erdungsenergie, entlädt Adrenalin und signalisiert: Die Gefahr ist vorbei. Angst ist festgehaltene Energie, und Bewegung bringt sie wieder ins Fließen.
Kälte oder Sinnesreize: Den Körper zurückholen
Ein Kältereiz wirkt oft sofort, weil er den Fokus umlenkt und das Nervensystem "resetet". Halte deine Handgelenke unter kaltes Wasser, lege dir einen Eiswürfel auf Stirn oder in den Nacken. Du kannst auch bewusst Geräusche, Gerüche oder Farben um dich herum wahrnehmen; alles, was dich jetzt spüren lässt: "Ich bin hier. In diesem Moment."
Fokus umlenken: Raus aus dem Gedankenkarussell
Angst zieht den Geist in Katastrophenbilder. Du kannst den Fokus bewusst umlenken:
Zähle 5 Dinge, die du siehst, 4 Dinge, die du fühlst, 3 Dinge, die du hörst, 2 Dinge, die du riechst und eines, das du schmeckst. Oder: Schau dich im Raum um und beschreibe innerlich, was du siehst: neutral und sachlich. Das bringt dich zurück in den Moment und trennt dich von der Gedankenflut.
Strömen: Halte deine Zeigefinger
Unseren Zeigefingern sind die Energien von Blase und Niere zugeordnet. Die Blasenenergie steht in Verbindung mit Angst, die Nierenenergie mit Panik. Wenn du deine Zeigefinger hältst (oder auch nur einen - egal welchen), harmonisierst du beide Organenergien mit den dazugehörigen Gefühlsebenen. Spüre, wie die Angst wegzuschmelzen beginnt und dein Atem wieder ruhiger und tiefer wird.
Herz-Hand: Selbstberuhigung durch Präsenz
Lege eine Hand auf dein Herz, die andere auf den Bauch und sage dir innerlich:
"Ich bin hier. Ich atme. Ich bin sicher." Wenn du magst, kannst du leise summen oder tönen. Die Vibration entspannt den Vagusnerv und bringt dich zurück in deine Mitte.
Blick und Licht
Richte deinen Blick bewusst nach außen. Schau aus dem Fenster: auf einen Baum, den Himmel, eine Pflanze, vielleicht vorbeifliegende Vögel. Oder wende dich der Sonne zu. Das öffnet das innere Angstfeld und erinnert dich, dass du getragen bist.
Wenn die Angst übermächtig wird
Wenn die Angst so groß wird, dass du glaubst, du musst sterben, dann will dein System dich nicht zerstören: Es will überleben. In solchen Momenten übernimmt der Körper vollständig die Führung. Adrenalin schießt hoch, das Herz rast, der Atem wird flach, der Verstand verliert die Kontrolle. Das ist ein uralter Überlebensmechanismus.
Und genau darum führt der Weg heraus nicht über das Denken, sondern über den Körper und Präsenz.
Druck und Körpergewicht: Erdung und Schwere
Wenn du kannst, leg dich hin oder setz dich mit festem Kontakt zum Boden.
Drücke deine Handflächen, Fersen oder Oberschenkel kräftig gegen die Unterlage. Spüre: Da ist Gewicht. Da ist Boden. Ich falle nicht.
Manche Menschen brauchen in diesen Momenten Gegendruck. Sich fest zu umarmen oder sich fest in eine Decke wickeln kann helfen, das Nervensystem zu "containern", also die überschießende Energie zu halten: "Ich bin im Körper. Der Boden trägt mich."
Ausatmen und Loslassen
Versuche nicht, deinen Atem zu kontrollieren. Atme einfach nur aus. Wieder und wieder. Jedes Ausatmen sagt dem Körper: Die Gefahr ist vorbei. Wenn der Atem nicht mitmacht, kannst du auch leise auspusten, wie durch einen Strohhalm - das verlängert das Ausatmen ganz natürlich. "Ich lasse los. Ich lasse los. Ich lasse los."
Sobald du die Angst aus der Beobachterposition wahrnimmst, beginnt sie sich zu verändern: Sie verliert ihre Macht und wird zu einer Bewegung in deinem Licht.
Du bist größer als die Angst. Du bist das Bewusstsein, das sie im Arm hält. Hier beginnt Frieden.





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